Was ist Budosport-Pädagogik?

Home / Was ist Budosport-Pädagogik?

Budosport-Pädagogik nutzt Kampfsport und Kampfkünste als Medium, um soziale Kompetenzen zu fördern und dadurch die Persönlichkeitsentwicklung von Kindern und Jugendlichen zu unterstützen. Es eignet sich aber auch, um mit problembehafteten Jugendlichen oder Gruppen pädagogisch zu arbeiten: beispielsweise mit gewaltbereiten Jugendlichen, bei Schulschwierigkeiten oder ADHS-Problematiken, bei Störungen im Selbstwertgefühl, oder auch im interkulturellen Kontext. Als Methode zeichnet sich Budosport-Pädagogik durch einen konfrontativen und zugleich wertschätzenden Leitungsstil bzw. eine entsprechende Grundhaltung aus.

Dabei fußt Budosport-Pädagogik mit einem handlungsorientierten Ansatz auf den Erkenntnissen aus der Neurobiologie und Salutogeneseforschung, wonach die Grundlage für das persönliche Lernen eigene emotionale Erfahrungen sind, die ganzheitlich in den Bereichen Körper, Geist und Seele gemacht werden. Wenn diese Erfahrungen dann professionell begleitet und reflektiert werden, fördern sie den Aufbau eines gesunden Selbstwertgefühls. Dies wiederum ist die Voraussetzung für ein selbstbestimmtes, verantwortungsbewusstes und erfülltes Leben.

Budosport-Pädagogik versteht dabei das Wort „Budo“
als Überbegriff aller
Kampfkunst- und Kampfsportsysteme.

Einsatzmöglichkeiten von Budosportpädagogik

Budosport-Pädagogik wird heute erfolgreich in unterschiedlichsten Kontexten eingesetzt, z.B.

  • Kindertagesstätten
  • Grund- und Mittelschulen
  • weiterführende Schulen
  • Juugendarbeit und Jugendsozialarbeit
  • Kinder- und Jugendhilfeeinrichtungen
  • Dojos / Vereinen / Sportschulen
  • soziale Trainingskurse
  • Gewaltpräventionskurse
  • in der Arbeit mit Menschen mit Behinderung
  • in der Drogenprävention
  • in psychosomatischen Kliniken
  • in Jugendarrestanstalten / Strafvollzugsanstalten
  • in der Erwachsenenbildung
  • in Volkshochschulen

Dreh- und Angelpunkt in den genannten Kontexten stellt die Förderung sozialer Kompetenzen dar. Der Fokus liegt dabei stets auf der Persönlichkeitsentwicklung der einzelnen Teilnehmer. Bei Menschen mit besonderen Problemlagen (ADHS, Adipositas, Traumata, Behinderungen, Gewaltproblematiken, etc….) tritt zusätzlich noch der Aspekt der psychischen bzw. physischen Regeneration und Rehabilitation dazu.

Lehrer-Schüler-Beziehung

Die Selbstwirksamkeit des Schülers bildet den Fokus in der Schüler-Lehrer-Beziehung. Eine blinde und diktatorische Form, also eine von oben herab geführte Lehrer-Schüler-Beziehung kann das Selbstwertgefühl in keiner Weise unterstützen, sondern schafft lediglich eine sinnlose Abhängigkeit zum Lehrer. In dieser Hinsicht sind asiatische Kulturen nicht unbedingt dafür bekannt, dass sie das Selbst, das Individuum in den Mittelpunkt stellen. Die östliche und westliche Kultur und dessen Philosophie der Persönlichkeitsentwicklung muss einer genaueren Betrachtung unterzogen werden, um die bestmöglichen Stellschrauben für die positive Selbstwirksamkeit herauszufiltern und diese dann für die Budosport-Pädagogik zu nutzen.

Während westliche Kulturen zu großen Teilen das Individuum betrachten, prägt das kulturelle Bild der östlichen Gesellschaften eher Gehorsam gegenüber den Obrigkeiten. In westlichen Gesellschaften wird stets versucht mit Misserfolgen und Frustration umzugehen, sodass die eigenen Handlungen einen Lerneffekt beinhalten. Die Budosport-Pädagogik liegt hierauf ein ganz besonderes Augenmerk.

Verschmelzung von Kampfsport und Kampfkunst

Die Verschmelzung von Kampfsport und Kampfkunst ist ein weiterer Schritt, der den Wettkampf als notwendiges Förderband sozialer und psychischer Kompetenzen sieht. Fokussiert werden sollte dabei nicht ausschließlich das Gewinnen eines Wettkampfes, auch das Verlieren muss gelernt und kultiviert werden und kann durch das Prinzip des „nicht-Kämpfens“ keinesfalls ausgeklammert werden. Jeder muss für seine Taten Verantwortung übernehmen – Verantwortungsbewusstsein ist ein entscheidender Faktor der Persönlichkeitsentwicklung. Es sind nicht immer die anderen Schuld, wenn etwas nicht so funktioniert, wie man sich das vorstellt. In der Budosport-Pädagogik wird der Kampfkunstschüler zu lösungs- und zielorientierten Handlungen erzogen. Die Akzeptanz, dass andere in der jeweiligen Situation besser sein können, ist eine Grundvoraussetzung für eine realistische Selbsteinschätzung. Diese Eigenverantwortung kann mithilfe des Kampfes gefühlt und erlebbar gemacht werden. Weiterhin setzt dies neue Kräfte frei, um eigene Handlungen neu ausrichten zu können. Es entsteht ein selbsterstarkter, mündiger Schüler. Es geht nicht ausschließlich um den Kampf mit dem eigenen Ich, gegen eigene Ängste und Bedenken, sondern ebenso stellt sich der Kampf in der Soziobiologie als eine grundlegende Bedingung der Möglichkeit dar, seine Selbstwirksamkeit zu stärken. Auf diese Weise entsteht Empathie. Die erlernte Akzeptanz einer Niederlage und eine ausgeprägte Form der Selbstwirksamkeit tragen ebenso dazu bei, das Selbstbewusstsein zu stärken und die realistische Selbsteinschätzung des Kämpfers zu erzielen.

Gewinnen und Verlieren

Es ist klar, dass ein Sieg immer auch eine Niederlage für den anderen bedeutet. Der Schüler muss jedoch erkennen, dass die Anerkennung der Niederlage immer auch ein Sieg über das eigene Ich, den eigenen Egoismus bedeutet. Natürlich spielt die körperliche und seelische Unversehrtheit des Kämpfers innerhalb eines Wettkampfes eine große Rolle. Die Budosport-Pädagogik sieht sich hier besonders in die Pflicht genommen dafür zu sorgen, dass es nicht um die Zerstörung des Gegenübers geht, sondern um die Möglichkeit, sich im Wettkampf mit Körperkontakt, Kraft und Technik so zu begegnen, dass ein fairer Kampf gestaltet werden kann.

Die Formenwettbewerbe nehmen eine eigene Rolle im Bereich des Wettkampfes ein. Der Schüler stellt sich dabei einem Kampfgericht vor und läuft dann seine Bewegungsform innerhalb seines Kampfkunstsystems. Nach Beendigung seiner Darstellung wird der Schüler vom Kampfgericht bewertet. Dieses Konstrukt beinhaltet viele positive, pädagogische Möglichkeiten, um die Persönlichkeitsentwicklung des Einzelnen, seinen Ressourcen entsprechend zu fördern, sodass ein Vergleich, also ein Wettkampf, unverzichtbar ist. Dieses Wettkampfprinzip im Formenbereich ist in die reale Lebenswelt der Schüler übertragbar. Auch im Berufsleben werden sie verglichen und bewertet, um den besten Bewerber zu ermitteln.

Selbstwertgefühl und Selbstwirksamkeit

Die vorgestellten Faktoren zu Erlangung eines gesunden Selbstwertgefühls, in dem der Transfer in die reale Welt von Schule, Beruf oder Beziehung, der die ständige Aufgabe beinhaltet, sich bemühen zu müssen, stattfindet. Diese Erfahrungen des Kampfes, des Gewinnen und Verlierens, stärkt das eigene Ich und somit wird der Umgang mit Misserfolgen und Konflikten erlernt. Solche Erfahrungen unterstützen die Impulskontrolle und geben einem die Möglichkeit, die eigenen Frustrationswerte neu zu kalibrieren. Immer wieder wird argumentiert, dass ein Kampf nicht notwendig sei, um ein starkes Selbst zu sein. Dennoch ist es in den soziobiologischen Grundzügen der Menschen festgesetzt, dass ein natürliches Gegeneinander stattfinden muss – dazu gehören nun einmal auch das Toben und Rangeln. In der realen Lebenswelt muss man sich stets gegen andere Mitstreiter beweisen – im Beruf, in der Familie, im Alltag. Dabei muss verhandelt, taktiert, nachgegeben und auch einmal gekämpft werden. Dies ist alles natürlich, ehrlich und fair und basiert auf moralisch-ethischen Grundfesten, welche wiederum von einem gesunden Selbstwertgefühl abhängen und durch die Kampfkunst entwickelt werden können.

 

Der Wettkampf kann aber auch alles in eine ganz andere Richtung führen. Hiermit ist u.a. die Kommerzialisierung gemeint, die uns allen Sorge bereitet und die man jeden Tag in den Medien verfolgen kann. Deshalb ist es unsere Aufgabe in der Budosport-Pädagogik, den sportlichen Charakter wieder zu den kulturellen Werten zurückzuführen, den er eigentlich verdient hat.

Die 7 Grundelemente der Budosportpädagogik
  1. Lehrer-Schüler-Beziehung
    – Kontakt, Beziehung aufbauen
    – Einzigartigkeit, Schüler, Meister (Stimme, Körpersprache)
  2. Do
    – Persönlichkeitsentwicklung
    – Selbstwertgefühl
    – Selbstreflexion
  3. Dojang
    – geschützter pädagogischer Raum
    – Laboratorium
  4. Meditation
    – Ruhe
    – Schlafen
    – Zeit
  5. Kampf – Kampfkunst – Kampfsport
    – Bewegung
    – Motorik
  6. Ernährung/Gesundheit
  7. Kultur, Gesellschaft, Lebenswelt
    – soziale Kompetenz
    – Ziele/Werte
    – Moral/Ethik 

Erforderlich sind jedoch immer eine Form der Motivation, der Wille und der Glaube an sich. Unbedingt erforderlich ist Mut, Durchhaltevermögen und die Fähigkeit, Dinge aushalten zu können. Diese Energie kann nur aus der Zustimmung erwachsen, die wir für unser Leben empfinden. Diese Liebe ist der Anfang der Tugend. Sie ist das Förderband für unsere höchsten und edelsten Ambitionen. Sie ist die treibende Kraft, die hinter der Budosport-Pädagogik steht, sie ist die letzte Säule unseres Selbstwertgefühls unserer Budosport-Pädagogik.

Von allen Urteilen, die wir in unserem Leben fällen, ist keines wichtiger als das Urteil, das wir über uns selbst fällen. Persönliches Glück und berufliche Karriere hängen davon ab, inwieweit wir die Grundprinzipien des Selbstwertgefühls verstehen und sie bei sich selbst fördern. (Nathaniel Branden, 2001)

Zerlegung des Kanji „Budo“

Hier kommen die östlichen, asiatischen, friedfertigen Budo-Philosophien und Handlungsstränge zum Tragen.

Der Weg des friedvollen Kriegers –  Zerlegung des Kanji (Silbenzeichen) „Budo“

BU = Kampf, Militär

DO = Weg, Bemühen, Prinzip, Methode

Aus dem Zeichen „Budo“ wird der friedfertige Ansatz deutlich.

Erreicht werden soll dieser mit der körperlichen Präsenz, Aura, Ausstrahlung und der Fähigkeit, sich mit seinem Selbstwertgefühl, seiner inneren Stärke, seiner klaren Körpersprache einer Konfliktsituation so gegenüber zu stellen, dass der Angreifer nicht nur gewarnt ist, sondern den Konflikt lieber verbal als körperlich weiterführt. Dazu zählen auch im Laufe der Budo-Laufbahn erlernte Deeskalationsstrategien, wie auch das Kennen und Lesen der Körpersprache des Gegenübers. Klar wird hier auch die Tatsache, dass der Budoka über das kämpferische Wissen und die nötige Erfahrung verfügt, um den vielleicht doch körperlichen Kampf unter Einhaltung der Notwehrparagraphen so abzuwehren, dass die Verteidigungstechniken den geringsten Schaden beim Angreifer hinterlässt. Als die höchste Form eines Kampfes wird aber immer der nicht geführte Kampf (körperlich) betrachtet. Der Budoka betrachtet diesen Sieg als einziges, wahres Ziel des friedfertigen Kriegers.